Von Spuren im Sand, Kämpfen am Feld und Raubrittern zu Wasser und Land
Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erleben… nur Schönes war es in unserem Fall, soviel sei vorweggenommen, aber alles der Reihe nach.
Es war einmal…
… eine Gruppe von 14 wackeren Alemannen (und damit sind zumindest in diesem Artikel auch die Alemanninnen gemeint) unter der Führung von Heinz Raab, welche plante, die weite Reise gegen Norden anzutreten. Die Ostsee galt als hehres, aber fast unerreichbar scheinendes Ziel, ging doch die Kunde um von raubraubritterähnlichen Gefahren (neuzeitlich VIA Toll genannt), welche auf den weiten Straßen gen Norden lauerten.
Um die fürchterlichste Gefahr für alle Ruderer dieser Welt – Flüssigkeitsmangel in jeglicher Form! – weitgehendst auszuschließen zu können, war bereits vorab eine schlagkräftige Spähertruppe ausgesandt worden, die sich dem Problem aus unterschiedlichen Perspektiven annahm und regelmäßig Berichte in die Heimat schickte.
Bericht Späher 1 (Clemens):
Bericht Späher 2 (Peter P)
Derart mit Informationen versorgt, wagte die Gruppe schließlich vor fast genau 6 Monaten, am 7.8. 2018 frohen Mutes den Aufbruch, erreichte auch tatsächlich – den aufopfernden Bus- und Hängerfahrern sei Dank – unbeschadet das Ziel und erlebte die folgenden 9 Tage zu Wasser und zu Lande gar Wunderbares, welches dem ehrenwerten Leser nun in Kapiteln kund getan wird.
Kapitel 1: Etappen
Perfekt ausgewählte Tagesetappen zwischen 30 und 45 km wurden bei strahlendem Sonnenschein, gleißender Hitze und unberechenbaren Stürmen (kurzzeitig) bewältigt. Eine ausgeklügelte Bootseinteilung, die der Fahrtenleitung so manche schlaflose Nacht bescherte, sorgte dafür, dass jeder Ruderer nicht nur mindestens einmal in jedem der verfügbaren Boote (3x, 4x, C4x+) saß, sondern (mit kleinen Ausnahmen) auch zumindest einmal mit jedem anderen Teilnehmer gemeinsam in einem Boot ruderte, dass alle Bootsleute gleich oft Bootsverantwortung hatten und zwar mindestens einmal für jedes der Boote. Alles klar, oder?
Kapitel 2: Der Landdienst
… hatte nicht nur die Aufgabe, Bus und Hänger von A nach B zu transportieren, die optimale (von Heinz vorselektierte) Ausstiegsstelle zu erkunden, sondern vor allem die ständig drohende Gefahr der Überhitzung und Austrocknung effektiv zu bannen. Lobend erwähnt seien an dieser Stelle Werner und Isabella, die so viel kühles Bier einkauften, dass es noch für die nächsten zwei Tage reichte (dann war es halt nicht mehr kühl) und im Schweiße ihres Angesichts (hauptsächlich Werners) unter annähernd perfekter Arbeitsteilung (eine spähte, einer schleppte) die Anlandestelle von Steinen befreiten.
Kapitel 3: Endlose Weiten und Sirenen
Spiegelglatte Wasseroberfläche, so weit das Auge reichte, weder Buhnen noch Bojen oder Steine trübten das Vergnügen (und wenn, wurden sie von Werner beseitigt, siehe Kapitel 2). Doch waren wir, vorgewarnt durch die schillernden Berichte von „weichselkundigen“ Alemannen (Inge und Hemma) auf der Hut. Denn ab und an lauerten in heimtückischer Manier wie aus dem Nichts auftauchende Sandbänke, die Odysseus Sirenen gleich den einen oder anderen Steuermann magisch in ihren Bann zogen, so sehr dieser auch zu widerstehen trachtete. Clemens hatten sie besonders liebgewonnen (wahrscheinlich war er für sie der attraktivste unter uns Steuerleuten). Manch anderer Bootsmann wiederum steuerte doch tatsächlich tollkühn geradewegs darauf zu, um (der edle Leser möge verzeihen) darauf seine Notdurft zu verrichten. Eine Wahl, die sich jedenfalls auch bei näherer Betrachtung dem Unaufgeklärten nicht ganz erschließt, scheint es doch auf den ersten (und zweiten, und dritten…und zehnten…) Blick durchaus dezentere und mit mehr Deckungsmöglichkeit ausgestattete Stellen zu geben. Überhaupt wurden auf dieser Fahrt manch gar wunderliche Plätze zu eben diesem Zwecke aufgesucht. Aber nun genug davon. Denn wie heißt es so schön: What happened on the Wisla stays in the Wisla (im wahrsten Sinne des Wortes).
Kapitel 4: Das Schleusen Mysterium
Tagein, tagaus ruderten wir gemütlich vor uns hin, kaum eine Schleuse trübte das Vergnügen. Ein paar wenige (noch dazu mächtige) gab es dann doch, die entweder außer Betrieb waren oder deren tieferer Sinn in den unergründlichen Wellen der Weichsel versank. Denn man lese und staune: Sobald sich das eine Tor unter Ächzen und Stöhnen geschlossen hatte, warteten unsere Mannschaften und Boote (zunächst) geduldig und gut gelaunt zwischen den Mauern – es gab ja noch Bier (siehe Kapitel 2) – und harrten dem was da kommen mag. 10 Minuten, 20 Minuten, … um nach etwa einer halben Stunde des Harrens und Wartens mit perplexem Blick das stromabwärts gewandte Tor zu bestaunen, welches sich öffnete, ohne dass sich der Wasserstand auch nur um einen Zentimeter bewegt hätte.
Die einzige in der Schleuse wahrzunehmende Bewegung war des (durchaus freundlichen) Schleusenwärters Geldbeutel, welcher in freudiger Erwartung an einem Seil zu den Ruderbooten hinabgelassen wurde. Es gab sie also doch, die Raubritter!
Kapitel 5: Die (Beinahe-) Verhaftung
… oder Polen ist auch nicht mehr das, was es einmal war.
Es gilt gemeinhin als höflich, sich den Landessitten anzupassen, sagt man. Wir Alemannen sind eine höfliche Gruppe, stets bemüht, wohin immer wir auch kommen, einen guten Eindruck zu hinterlassen, heißt es. In Polen trinkt man, gerne und viel, hört man.
Die Konklusio aus diesen drei Fakten kann nur ein mit den besten Intentionen organisiertes Spontangelage auf dem Hauptplatz von Chelmo sein. Nun, nachdem uns das Polizeiauto zweimal umrundet und zwei junge fesche Polizisten (zumindest erschienen sie nach einigen Wodkas so) recht eindeutig geworden waren, hatten wir einiges dazugelernt. So wussten wir nun, dass die dritte der oben erwähnten Aussagen nicht ganz zutreffend ist, zumindest nicht in der Öffentlichkeit. Taktisch glänzten wir angesichts der sich uns nähernden Exekutive übrigens mit einer Meisterleistung: Nach anfänglicher Panik, die Wodka Flaschen rasch zu verstecken, widerstanden wir dieser Versuchung mit der überaus logischen, in Sekundenbruchteilen gefassten Überlegung: „Wenn die (die Polizisten) jetzt sehen, dass wir sie (die Flaschen) verstecken, dann wissen sie ja, dass wir eigentlich wissen, dass es verboten ist.“ Die Alemannia kann stolz auf uns sein.
Kapitel 6: Mächtige Burgen und knallharte Kämpfe
Die Marienburg (Zamek w Malborku), eine im 13. Jahrhundert erbaute mittelalterliche Ordensburg des Deutschen Ordens am Fluss Nougat, einem Mündungsarm der Weichsel. Von 1309 bis 1454 war die Burg Sitz der Hochmeister des Ordens. Danach diente sie mit kurzen Unterbrechungen von 1457 bis 1772 als Residenzort polnischer Könige. Nach der Teilung Polens kam die Burg 1772 zum Königreich Preußen. Die weiträumige Burganlage ist der größte Backsteinbau Europas und UNESCO- Weltkulturerbe. Wir durften sie vorbei rudernd vom Wasser aus und während unserer Besichtigung zu Lande bewundern.
Kapitel 7: Sonderbare Spuren
Die Wanderfahrt ging schon fast dem Ende zu und so mag es nicht verwundern, dass so manche Sinne bereits leicht getrübt erschienen. Zumindest dachten wir (Elisabeth, Rupert und Isabella) so, als über Kilometer hinweg ein schwarzes Ungetüm unseren Dreier verfolgte, immer wieder aus dem Wasser auftauchend und konsequent den gleichen Abstand haltend. Rasch wurden sämtliche Geschichten von Wasserungeheuern im Geiste durchgegangen, aber trotz selbst diagnostiziertem leichten Flüssigkeitsmangel waren wir dann doch relativ sicher, dass Nessie in Schottland sein Unwesen trieb und NICHT in Polen. Bis wir auf einer Sandbank am Ufer auf die hier dokumentierten Spuren stießen (Isabellas Zehen zum Größenvergleich). Der Leser möge sich selbst sein Urteil bilden. (Laut Hemma war es ein Otter, und da Hemma eigentlich immer recht hat, wird es wohl so gewesen sein).
Kapitel 8: Wunderbare Laune
Nach 9 Tagen rudern, schwappen, tragen, sonnen, lachen, tratschen und jausnen winkte gegen Ende zur Belohnung: die Ostsee, gefeiert mit dem obligatorischen Schluck für den Klapautermann und der anschließenden von Heinz perfekt organisierten Führung durch das wunderschöne Danzig, die Perle der Ostsee. Gerüchten (und offensichtlich gefälschten Rechnungen) zufolge wurden beim Abschluss-Abendessen etwa 50 Gläser Wodka konsumiert. Der Kellner jedenfalls lächelte selig, wir auch, wie schon während der gesamten Reise, die von einer derart wunderbaren Stimmung und Laune geprägt war, dass sich selbst der Organisator in seinem Abschlussmail zu Begeisterungsstürmen hinreißen ließ: „Ihr wart … eine Mannschaft, mit der man Pferde stehlen kann.“
Zu guter Letzt seien noch die Namen aller wanderfahrenden Reisenden verraten,
Annelotte, Christa, Christian, Clemens, Elisabeth, Ferdinand, Hemma, Inge, Isabella, Peter F, Peter P, Rupert, Werner S, Pam (nicht rudernd) und natürlich Heinz, der dafür sorgte, dass alle stets ein warmes Bett, genug zu essen, ausreichend zu bestaunen und eine Handbreit Wasser unter dem Kiel hatten!
Isabella
PS Dank an Werner für die Photodokumentation